rest in peace, overpronation! ein kommentar.

Ihr merkt schon, diese Woche kreisen mein Gedanken um die Biomechanik. Wir sind froh, wenn wir jemanden finden, der sich für uns damit beschäftigt. Aber was, wenn derjenige falsch liegt und im Extremfall sogar die Verletzung folgt?

Zum Glück hat sich ja bei den meisten von uns, die sich mit dem Thema beschäftigen, die Erkenntnisse durchgesetzt, dass die Evolution bei uns doch viel richtig gemacht hat. Man muss auch kein Dan Lieberman sein um zu verstehen, dass das Tragen von Schuhen im masterplan der Natur nicht vorgesehen ist. Nun sind die wenigsten so tough und konsequent, ganz auf Schuhwerk zu verzichten. Umso wichtiger scheint es, wenigstens die richtigen Treter zu kaufen.

Im Idealfall inspiziert also der Schuhverkäufer den Fuß und nicht nur den Geldbeutel. Nur, nach welchen Kriterien wird der passende Schuh bestimmt? Pete Larson konfrontiert uns in seinem runblogger-Artikel mit der provokanten These, man könne, wenn auf Promotion und Supination als einziges Kriterium geachtet wird, genauso gut beim Discounter oder online kaufen.

Damit kommt er dem, was ich bisher nur gefühlsmäßig begründen konnte, sehr nah. Ich kann hier auf meine eigene, leidvolle, Erfahrung vom Beginn meiner ‚Laufkarriere‘ verweisen: Nach knapp einem halben Jahr als Läufer und mit ein bisschen Erfahrung auf der Halbmarathon-Distanz stand mir der Sinn nach mehr. Sowohl Distanz als auch Höhenmeter. Google und der örtliche Schuh-Händler taten ihr übriges, um die geeigneten Schuhe zu finden: einmal von der Firma A für die Straße, und einmal von der Firma S für die Berge. Firmen mit gutem Ruf für Qualitätsschuhe, jeweils in ihrer Disziplin. Da mein Fußgewölbe zu dieser Zeit mangels muskulärer Aktivierung noch eher auf Halbmast hing beging ich den Fehler, mir „Stability“ bzw „Motion control“-Schuhe anzuschaffen. Auf den kurzen Distanzen ging es mir auch nicht schlecht, doch nach Langstrecken musste ich oft tagelang Trainingspausen einlegen. Mit dem selbst auferlegten Erfolgsdruck, doch bald die Marathondistanz zu schaffen, nahm das Übel seinen Lauf in Form einer Streßfraktur am Schienbein. Sechs Wochen Zwangspause und Marathondebut gestrichen.

Das ganze scheint also nicht nach einer simplen Formel zu funktionieren – auch wenn Seiten wie diese einem das suggerieren wollen. Ich darf an dieser Stelle kurz auf meinen letzten Artikel zum Thema Hüfte verweisen – nochmal kurz: die Fußstellung hat Einfluß auf die Hüftrotation. Man kann sich also vorstellen, daß durch eine künstliche Beeinflussung der Fußbeweglichkeit die Hüftbeweglichkeit leidet.

Was wir aus den letzten Jahren mit dem Aufkommen des „Barfußschuh-Trends“ gelernt haben: Es ist von größter Bedeutung, die vorhandene Anatomie zu respektieren. Wer viel mit ausgeprägten Fersenpolstern gelaufen ist (viel „heel drop“) wird beim Umstieg auf „weniger Schuh“ merken, wie sich Wadenmuskulatur und Achillessehne über die Jahre verkürzt haben. Ich selbst habe staunend die Transformation meinen Fußes miterlebt, seit ich (übrigens nach oben geschilderter Verletzung) begonnen habe, mit Minimalschuhen zu laufen. Durch den Verzicht auf Polsterung und Schuhe, die die natürliche Bewegung des Fußes zulassen, konnte ich Muskeln stärken, deren Existenz ich vorher nicht einmal wahrnahm. Mein Problem mit dem flachen Fußgewölbe hat sich mittlerweile von selbst erledigt!

Positiven Einfluß hatte mit Sicherheit auch die Lektüre von Danny Dreyer’s „Chi Running“. Ähnlich wie beim „Pose running“ geht es hier um die bewusste Kontrolle der Körperhaltung beim Laufen und um einen effizienten Laufstil. Unabhängig davon glaube ich jedoch, daß man beim Barfußlaufen unbewußt eine ökonomische, biomechanisch ideale, Körperhaltung einnimmt.

Wie in vielen anderen Belangen zeigt sich auch beim Laufen: Wenn sich Menschen in Sachen in die Natur einmischen, von denen Sie nichs oder nicht genug verstehen, kommt es oft zur Verschlimmbesserung. Das Gegenteil von gut ist gut gemeint, und eine Streßfraktur ist sicher noch ein vergleichsweise harmloser Ausgang. Insgesamt kann ich nicht anders, als Herrn Larsen recht zu geben: Lieber möglichst wenig Schuh als der aussichtslose Versuch, mit Schuhen, die bewußt die Beweglichkeit einschränken, alleine anhand der Höhe des Fußgewölbes ein Allheilmittel für Läufer-Zipperleins anbieten zu wollen.

Dies soll natürlich kein Plädoyer gegen Schuhverkäufer sein. Ich glaube nur leider, daß es kaum jemanden gibt, der die komplexe Anatomie unseres Läuferkörpers so individuell versteht, daß er ihn noch durch äußere Hilfsmittel verbessern kann. Wir tun besser daran, an dem zu arbeiten, was wir selber mitbringen…